Im Kommentierten angekündigt als "Vorlesung zur Mittelalterlichen Geschichte".
PD Dr. Harald Müller
Zeit: Dienstag, 13-15 Uhr
Raum: HS 13
Die moderne Forschung scheut sich, den mittelalterlichen Gesellschaften eine definierte Verfassung zu unterlegen, die insbesondere das Zusammenwirken des Herrschers mit einzelnen Personengruppen und Institutionen bindend regelte. Man spricht stattdessen von Grundstrukturen und Grundregeln, die in sehr offener Weise und abhängig von den jeweiligen Machtverhältnissen angewandt wurden. Gleichwohl lässt sich insbesondere im späteren Mittelalter die Tendenz zur genaueren Reglementierung von Mitsprache und Einfluss bei der Führung des Gemeinwesens feststellen. Peter Moraw hat diesen Prozess mit den Worten „von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung“ markiert.
Die Vorlesung problematisiert das historische Verständnis von „Verfassung“ und verfolgt Elemente und Etappen des nicht immer geradlinig verlaufenden Weges zu rechtsverbindlich geregelten Handlungs- und Verfahrensnormen in der Legitimierung, Ausübung und Begrenzung von Herrschaft im späteren Mittelalter. Hierfür sind Stichworte wie Königswahl, Kurfürsten, Reichstage oder Landfrieden exemplarisch zu nennen. Derartige Phänomene und Gestaltungsansätze werden vorgestellt und in ihrer Wirkung betrachtet. Stellungnahmen der Zeitgenossen finden dabei ebenso Berücksichtigung wie Interpretationen der historischen Forschung bis hin zum „kulturalistischen“ Verfassungsbegriff. Den Ausgangspunkt bildet das Reich unter vergleichender Betrachtung der europäischen Nachbarn.
Einführende Literatur:
Peter MORAW: Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250 bis 1490, Berlin 1985; Ernst SCHUBERT: Einführungen in die Deutsche Ge-schichte im Spätmittelalter, Darmstadt ²1998; Malte PRIETZEL: Das Heilige Römische Reich im Spätmittelalter, Darmstadt 2004.