Die Kathedrale der Bürger. Zum Verhältnis von Stadt und Kirche in mittelalterlichen Kathedralstädten

Dissertationsprojekt
Sabine Reichert

Der Themenkomplex Stadt und Kirche wurde in der älteren Forschung oftmals als Antagonismus wahrgenommen. Zwar hatte bereits Karl Frölich in den 1930er Jahren überzeugend auf die Verbindung und die Wechselbeziehungen zwischen Stadt und Kirche verwiesen, doch sollte die Perspektive auf die kommunale Stadt die Forschung weiter stark prägen. Besonders auffallend ist dies hinsichtlich der Kathedralstädte. Sie wurden in der Literatur als hochmittelalterliche Innovationszentren gewürdigt, für das Spätmittelalter aber oftmals nur als Austragungsort von Kämpfen der Bürgerschaft um ihre Unabhängigkeit vom Stadtherrn betrachtet. Die Kathedralkirche selbst wurde als Repräsentationsbau einer stadtfremden Macht interpretiert oder oblag als Sakralbau dem Focus der Kunst- oder Kirchengeschichte. Die Kathedrale als in der Stadt gelegener Sakralbau und die damit verbundenen Funktionen für die städtischen Bewohner gerieten dabei oftmals in den Hintergrund. Die Dissertation sucht die Kathedralkirche aus ihrer isolierten Betrachtung herauszulösen und vor dem Kontext der Gesamtstadt, ihrer Sakraltopographie und vor allem den Bewegungshorizonten mittelalterlicher Akteure zu betrachten. Im Mittelpunkt steht dabei die These, dass die spätmittelalterliche Kathedrale durchaus eine Kathedrale der Bürger war – auch wenn ihre fabrica nicht in die kommunale Verwaltung überging. In welcher Form sie eine Kathedrale der Bürger sein konnte, aber auch die Grenzen des gewählten Genitivs, gilt es auf verschiedenen Ebenen abzuprüfen. Ausgehend von der Annahme, dass es besonders in religiöser Perspektive der Fall war, werden verschiedene Formen der Laienfrömmigkeit und rituell-performative Akte, die die Bürgergemeinde in Bezug zur Kathedrale setzen konnten, betrachtet. Leitend sind dabei grundsätzliche Fragen nach der Stellung der Kathedrale im Kontext der ausdifferenzierenden Sakraltopographie, ihre Nutzung und vor allem auch ihre Wahrnehmung durch die Bürger.
Das Promotionsverfahren ist abgeschlossen. Für das Jahr 2013 ist die Vorbereitung der Publikation geplant.