Landwirtschaft zwischen Tradition und Innovation. Studien zur Agrargeschichte und Agrarwirtschaft des Hunsrücks/Altkreis Simmern zwischen 1870 und 1914.
Der Raum:
"Die örtliche Abgeschiedenheit, welche durch den Mangel jeden rascheren Verkehrs bedingt ist, und welche nur wenige Hunsrücker über die heimathlichen Berge hat hinaus wandern lassen, ist dann auch der Grund der Armuth der Gegend" (Landrat Alexander Wenderhold im Juli 1876). Abseits der verkehrsgeographischen Leitlinien Rhein, Mosel und Nahe und durch die umgebenden Landkreise Bernkastel, Cochem, Zell, Koblenz (Land), St Goar und Bad Kreuznach auf eine "Binnenlage" verwiesen, die erst durch den Bau der Bahnlinie Langenlonsheim - Simmern 1889 "gemildert" wurde, bestätigte der Altkreis Simmern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Bild, das Johann Nepomuk Schwerz, einer der besten Kenner der rheinischen Landwirtschaft in seinen Beiträgen "zur Kenntniß der Landwirtschaft in der Gebirgsgegend des Hunsrückens" Anfang des Jahrhunderts entwarf: Eine durch die Ungunst der naturräumlichen Ausstattung benachteiligte und durch die mangelnden Fähigkeiten ihrer Bewohner vernachlässigte und in primitiven Wirtschaftsformen steckengebliebene Landschaft. Auf dieser Folie beschreibt die Arbeit die Kontinuität und Diskontinuität von Agrarstrukturen, die sich am Vorabend des 1. Weltkrieges bemerkenswert fortschrittlich präsentieren.
Die Zeit:
Die zeitliche Begrenzung auf die Jahre 1870 bis 1914 wurde eher nach inhaltlichen, weniger nach pragmatischen Gründen gewählt. Für die sechziger und siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts kann man kaum Veränderungen diagnostizieren: Die beiden Dekaden gehören mit Blick auf die Gesamtsituation der Hunsrücker Landwirtschaft noch der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts an. Produktionssteigerungen unter dem Einsatz von Düngemittel (Bau der Eisenbahn!), die Rückläufigkeit der Auswanderungen als wesentliche Folge des Ausbleibens von "Hungerjahren und - krisen" (Pauperismus), die Gründung erster Darlehenskassen (Rheinböllen, Kirchberg) und die damit erstmals gegebene Kapitalabsicherung der Betriebe auch in wirtschaftlichen Krisenzeiten sowie die Eröffnung der Landwirtschaftlichen Winterschule in Simmern deuten die Veränderungen an. In der Kleinräumigkeit des Kreises Simmern läßt das innovative "Maßnahmepaket" der Jahre 1870/71 einen "agrarhistorischen take - off" vermuten, der seine Ursachen in besonderen personalen, mentalen und strukturellen Ausprägungen hatte. Die Zäsur nach oben hin: Noch vor Ausbruch des 1. Weltkrieges deutete sich in der Kontroverse "Bauernverband/Bund der Landwirte" wegen der Repräsentation ihrer Mitglieder das allmähliche Ende des ersteren an. Damit endete ein bedeutsames Stück bemerkenswerter organisatorischer Eigenständigkeit der Hunsrücker Landwirtschaft.
Die Zielsetzung:
Beabsichtigt ist eine Regionalstudie, die einen fundierten Überblick erlaubt, mit der Option, die agrarhistorischen und agrarwirtschaftlichen Forschungsergebnisse von Friedrich Wilhem Henning (Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft in Deutsch-land, Bd.2: 1750 bis 1986, Paderborn, 2. Aufl.,1988) und Walter Achilles (Deutsche Agrargeschichte im Zeitalter der Reformen und der Industrialisierung, Stuttgart 1993) zu verifizieren und/oder zu falsifizieren. Das gilt auch für die Forschungen des Arbeitskreises Agrargeschichte/Göttingen (Werner Rösener).(Vgl."Agrargeschichte - Positionen und Perspektiven, hrsg. v. W.Troßbach und C. Zimmermann = Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte, Bd. 44; ferner die angekündigte Tagung: "Triebkräfte der Agrarentwicklung im 19. und 20. Jahrhundert", in: Newsletter 9, 1999, S. 2). Dabei haben wir vor allem eine Perspektive "von unten" im Blick, indem wir das seismographische Verhalten der Menschen auf behördliche "Schrittmacherdienste" und - soweit die Quellen das hergeben - ihre private Eigeninitiative